77 Bombay Street

Vor allem die gleichnamige Singleauskopplung haben sie ungewohnt episch angerichtet. “Der Titel erzählt unsere Berg- und Talfahrten. Als Band wurden wir in den vergangenen Jahren durchgeschüttelt. Wir mussten uns neu finden“, sagt Matt Buchli.

Während ihrer Suche haben sich 77 Bombay Street merklich weiterentwickelt. Gesanglich treten sie auf dem neuen Album selbstbewusst auf, variieren zwischen sanften (December), rockigen (Waterproof) und lockeren Tönen (Optimistic People). Stilistisch wagen sie sich gar in neue Genres, bedienen neben der für sie bekannten Pop-Folklore auch Funk (Amazing Day) und Klassik (Seven Mountains). Zum ersten Mal haben sie ihren akustischen Sound mit Streich- und Blasinstrumenten angereichert. Die „Bombays“ klingen mutig – und das im „verflixten“ siebten Bandjahr.

VOM BERGDORF IN DEN POP-HIMMEL
Im Jahr 2008 teilen sich die vier Buchli-Brüder Matt, 33, Joe, 31, Esra, 29, und Simri-Ramon, 25, im Haus 92 in Scharans GR noch ein Zimmer. Die vier von insgesamt sieben Geschwistern beschliessen, eine Band zu gründen: 77 Bombay Street. Hinter dem Namen steht ein prägendes Stück Vergangenheit: Von 2002 bis 2004 wohnt die neunköpfige Familie Buchli im australischen Adelaide, an der 77 Bombay Street. Schnell stürmen sie den Schweizer Pop-Himmel, gewinnen 2009 den MyCokemusic Soundcheck, sowie den kleinen Prix Walo und ergattern ihren ersten Plattenvertrag. Mit ihrem Debütalbum „Up In The Sky“ (2011) erreichen sie Doppel-, mit der gleichnamigen Single-Auskopplung sogar Triple-Platin.

Die Band gewinnt zwei Swiss Music Awards für „Best Album Pop Rock National“ und „Best Hit National“, spielt eine ausverkaufte Clubtour. Dabei entpuppen sich ihre bunten Uniformen als unbezahlbarer Wiedererkennungswert. Die Spitze der Schweizer Hitparade erklimmen sie schliesslich mit ihrem Zweitling „Oko Town“ (2012, Platin). Mehr als 300 Konzerte haben sie in den vergangenen sieben Jahren gespielt, auch in Deutschland, England, Frankreich, Italien, Schweden und Holland. 2013 räumen sie den Swiss Award 2012 in der Kategorie „Show“ ab.

RUNTER INS TAL UND WIEDER NACH OBEN...
Trotz ihren Erfolgen beginnen die Brüder ihren Weg zu hinterfragen, sind sich nicht immer einig wohin es gehen soll. „Wir mussten schauen, dass wir all unsere Wünsche wieder so zusammenbringen, dass es für alle stimmt“, sagt Matt. „Wir sind ein Konstrukt aus Sängern, Instrumentalisten und Brüdern. Aber wir haben keinen Leader.“ Ein Prozess der Ablösung und Neuorientierung beginnt. Zusätzlich brechen sie aus ihrer Komfort-Zone aus, um sich abseits des herrschenden Konkurrenz-Drucks als Band wieder entfalten zu können. 2014 ziehen sie für mehrere Monate nach Berlin, lassen sich neu inspirieren. In der deutschen Hauptstadt treffen sie schliesslich auf den australischen Produzent Chris Vallejo. „Als Band haben wir uns gleich in ihn verliebt“, sagen sie.

...UND DANN NACH DOWN UNDER FÜR DAS NEUE ALBUM
Im vergangenen Frühjahr kehren sie physisch und musikalisch zu ihren Wurzeln zurück. Australien ist nicht nur ihre alte Heimat, sondern auch diejenige ihres Produzenten Chris Vallejo. In Sydney nehmen 77 Bombay Street ihr Album auf und setzten auch bei ihrem dritten Streich auf Gleichberechtigung. Beim Leadgesang und beim Songwriting wechseln sie sich ab. „Wir realisierten, dass wir uns nur weiterentwickeln, wenn jeder das tut, was er am besten kann“, sagt Simri-Ramon. So hat Esra ein paar härtere Drums (Falling) hinzugefügt und Joe ein Gitarren-Solo (Amazing Day). Simri-Ramon rappt Feelgood-Zeilen (Bombay) und Matt offenbart seine Rocker-Stimme (Dancing On The Coast).

„Wir haben einfach gemacht. Es ist wohl das riskanteste unserer Alben“, resümiert Joe. Diese „layed back“-Haltung gepaart mit dem Sonnen- und Strandfeeling Australiens hört man dem Album an. Die Berg- und Talfahrten der Band wiederspiegeln auf „Seven Mountains“ ihre gewohnt positive Haltung. „Es gibt immer einen Weg, wenn man an das Leben, ans Positive und an die Gemeinschaft glaubt.” Eine Einstellung, die ihnen die Eltern vorlebten, als die ganze Familie in Australien wohnte. Nur an eine Sache haben sie nach all den Turbulenzen nicht mehr geglaubt. Im verflixten siebten Jahr haben sie sich von ihrem Markenzeichen getrennt. Die bunten einheitlichen Uniformen sind Geschichte. 77 Bombay Street hat sich als Band von vier Individualisten neugefunden, und das zeigen sie optisch.

Photos: Peter Rauch