Baschi

Seine «Endstation. Glück.» hat Baschi noch lange nicht erreicht. Zwei Jahre nach seinem gleichnamigen Album wird klar: Die musikalische Reise scheint erst anzufangen. «Du gisch mer so viel. Meh als ich mir je ha erträumt.» – ein vorwärtstreibender Beat, untermalt von Klängen einer Kirchenorgel. Dann legt Baschi los: «I stand a däm Punkt zwüsche Wahn und Vernunft...» – und es treibt den Hörer direkt in Baschis neue Popwelt, die aus elf Songs besteht und das versammelt, was man am Baselbieter mag: Rebellion, Hoffnung, Schmerz, Glück, Trauer, Party und Sozialkritik. Trotz alledem wird man das Gefühl nicht los, hier lege jemand von neuem los. Kein Album vorher war derart präzise auf den Punkt, keine Scheibe dermassen direkt. Erstaunlich eigentlich, die letzten Monate waren alles andere als ein Zuckerschlecken für den Schweizer. Musste Baschi vor allem als Mitbesitzer seines eigenen Studios schalten und walten. Musik nicht mehr nur als Zeitvertrieb und Kunst, sondern als hartes Business. «Mein Leben war früher richtig easy. Ich konnte bis um 11 Uhr schlafen, locker in die Ferien fahren, Konzerte spielen, auf Tour gehen und dann wieder ein neues Album aufnehmen», sagt Baschi selber. Dies alles gehe seit drei Jahren nicht mehr. Sein Leben verlaufe jetzt nach Schema und Plan. Morgens um neun Uhr stehe er auf der Matte, wie viele andere auch. Definitiv, der 28-Jährige hat Schritte nach vorn gemacht und ist mit seinen neuen Aufgaben und Pflichten gewachsen – als Mensch und Künstler. Und genau dies hört man den elf Songs auf «Zwüsche dir und mir» auch an.

Auf in Weichzeichner getränkte Melancholie folgen Realität und klare Worte. Der Baselbieter schiesst gegen die Opfer des Social-Media-Wahns: «Hashtag dis Läbe im Griff. Hashtag, s’isch kei Rettig in Sicht». Fertig lustig, das Leben findet draussen statt und nicht vor dem Bildschirm.

Als wären die scharfen Worte nicht genug, doppelt Baschi mit «Schweinehund» nach. Auf der lockerluftigen, schon fast sommerlichen Midtempo-Nummer, die auch als neuer Bruder von «Wenn das Gott wüsst» durchgehen könnte, nimmt er sich an den eigenen Ohren. Selbstkritik pur. Er besingt die Trägheit und dass er seinen eigenen Schweinehund fertig macht. All dies gekonnt mit spitzer Zunge. Genauso wie etwa auch auf «Statussymbol», einem Song, der mit zähflüssiger Schokolade vergleichbar ist. Dabei trifft ein schleppender Beat auf schwere, bittersüsse Klänge und eine klare Frage: «Wo sind all die Muetige? Die, wo sich nid biege lönd?» Baschi pfeift auf vorgeschriebene Konventionen, sprengt Ketten und plädiert für den Ausbruch aus sozialen Zwängen. Doch Baschi kann auch anders. Sein siebtes Studioalbum zeigt den Künstler genauso von seiner gefühlvollen Seite, wie man diese auch kennt. So besingt er auf der eingängigen Ballade «Oh wie schad» das zerrende Hin und Her einer Romanze ohne Ziel: «I lieb di. Nei, i lieb di nid.» – irgendwo mittendrin, überwältigt von Emotionen und doch kann sich der Jungspund nicht entschliessen zwischen sich selber und einem Versprechen, dass er nicht geben will. Wohl einer der schönsten Songs auf dem Album. Sanft auch «Du & Ich», eine einfühlsame Momentaufnahme zweier Menschen, dessen Wege sich für eine Nacht kreuzen und lieben: Weg von der brodelnden Tanzfläche direkt in die traute Zweisamkeit. Auch hier zielt der Baselbieter den Nagel mit einer Treffsicherheit auf den Kopf, dass es schon fast weh tut. Mitten rein ins Herz. Und man wird das Gefühl nicht los, als würde Baschi hier aus dem eigenen Nähkästchen plaudern. Tut er das? Die Antwort folgt prompt: «Ich hatte in den letzten Monaten eine wilde Zeit. Doch bei solchen Texten ist vieles auch Träumerei».

Ob Traum oder Realität – der aufmerksame Zuhörer merkt schnell: Baschis siebtes Studioalbum ist eines der ehrlichsten. Der Schweizer singt nicht um den heissen Brei herum. Unnötige musikalische Umwege lässt er aus und reduziert auf das Wesentliche. Zusammen mit seinem langjährigen Weggenossen, dem Musiker und Produzenten Philippe Merk, zimmerte er eine weitere facettenreiche Scheibe, die fraglos kleine musikalische Meilensteine zurücklässt. Übereuphorisch gibt sich Baschi aber dennoch nicht: «Ich hoffe, dass es genügend Menschen gibt, die meine Art von Musik schätzen. Das ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich». Hier spricht ein Mann, der zu kämpfen gelernt hat, nichts mehr als gegeben annimmt. Kaum verwunderlich denn die Worte auf dem finalen Song des Albums: «I bi ständig uf dr Suechi, doch bliib immer wieder stecke». Dann der Refrain: Der einstige Pop-Rotzlöffel verbeugt sich in der leeren Manege vor der ganzen Welt – alleine und ohne Publikum im Zirkuszelt. Applaus sei alles, was er wolle. «Zirkus Halligalli» ist nicht nur Kopfkino, sondern auch ein wunderschöner Abschluss des siebten Studioalbums, das auf mehr hoffen lässt.

Feuer scheint der 28-jährige Basler auf jeden Fall gefangen zu haben. Auf die Frage, ob er mit seinem jüngsten Werk zufrieden sei, antwortet Baschi: «Ich höre mir das Album ab und an in voller Lautstärke an und spüre, dass es auf den Punkt ist. Dieses Gefühl hatte ich noch bei keiner anderen Scheibe vorher. Ich glaube, es ist die beste in meinem bisherigen Schaffen». Wenn das mal keine Ansage ist.